Schulchronik Wildau: Besatzung und Befreiung durch die Rote Armee 1945

1945, Abschrift aus der überlieferten Wildauer Schulchronik Seite 11- , Chronist Lehrer Teschner: 

Die neue deutsche Schule ohne Rektor unter einem Schulleiter

Als ihr Anfangstermin ist der 2. Mai 1945 anzusprechen. Wie es kam, daß die Wiederaufnahme des Schulbetrieb hier schon nach so verhältnismäßig kurzer Zeit erfolgte, soll nachstehend erklärt werden, indem die Ereignisse, über die viel zu sagen wäre, so gedrängt wie möglich vorgeführt werden und die Chronik dadurch starke politische Färbung erhält.
Vorerst dürfte es für die Nachkriegsmenschheit von wesentlichen Nutzen sein, wenn sie durch die Chronik darüber aufgeklärt wird, wie es zugeht und wie man sich
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klugerweise verhält wenn die Kriegsfurie über die Zivilmenschen hinwegbraust. Die NSDAP-Propaganda hatte ja reichlich vorgesorgt, die Zivilmenschen vor dem Gebahren der Rotarmisten in Furcht u. Schrecken zu jagen. Also schwelten wir seit Tagen in banger Erwartung. So mancher im Ort war bemüht, möglichst viel seines Besitzes aus der Katastrophe zu retten und hatte die Sachen in der gerissensten Weise -selbst vergraben im Erdboden- in die gerissensten Verstecke gebracht. Der Nachwelt sei gesagt: Das hilft wenig. Wir erkannten: Wenn der einmarschierende Feind rauben und plündern will, so hilft kein Versteck. Jeder Winkel wird nämlich durchstöbert und mit langen Eisenstäben stoßen die Sucher in den Erdboden, um dort auch versteckte Sachen ausfindig zu machen. Wenn der Feind nun wirklich ins Haus tritt, fordert er mit Revolver i. d. Hand seinen Tribut, je nachdem ihm die Dinge begehrlich erscheinen. In der Hauptsache waren Uhren und bessere Stiefel begehrt. Kein Zivilmensch soll dann so ein Tor sein, den begehrten Gegenstand zu verweigern. Es wäre sein Tod. -Wir haben in Wildau die Sieger humaner gefunden, als
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wir sie uns dachten. Gewiß mögen hier und da Ungerechtigkeiten vorgekommen sein. Doch gemessen an dem Beispiel, das unsere Soldaten in Rußland gegeben hatten, ist dem Rotarmisten Mäßigung nicht abzusprechen. Wir sind daher glimpflich beim Einmarsch des Feindes davongekommen, sehen die Rote Armee sogar als Befreier vom Nazijoch für uns an. Beachten möge die Nachwelt ferner, daß es für einen Ort eine Torheit ist, wenn er zu heftigen Widerstand leistet, sobald dieser ein zweckloser Unsinn ist. Solchen haben die Russen von der Arbeiterbevölkerung in Wildau auch nicht angenommen. Und doch ist um Wildau gekämpft worden. Der verbohrte Führer des Volkssturms wollte den Russen beim Dahmeübergang Schwierigkeiten bereiten und ließ sich durch geringe deutsche Streitkräfte unterstützen. Zwei Tigerpanzer fuhren i. d. Schwartzk.Str. auf, einer postierte sich in der Nähe der Apotheke, der zweite am Stichkanal. Außerdem war eine winzige Gruppe dtscher Infanterie unter Führung eines blutjungen Leutnants auf der Straße tätig. Diesen Offizier hörte der Schreiber dieser Chronik zu seiner Kameradenschar
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zufällig sagen: "Munition sparen!" Dies sagte nach verschiedener Richtung hin genug. Und so wurde denn glücklicherweise der anrückende Fein im Kampfe um Wildau nicht durch heftigen Widerstand in Wut auf die Bevölkerung gesetzt, was sicher ein Vorteil für den Ort war.
Wohl setzten die Tigerpanzer ein paar Schüssen nach dem Niederlehmer Dahmeufer hinüber, und die Infanterie knatterte auch ein wenig, doch Heftigkeit blieb aus. 
Die Russen antworteten auf den Beschuß der dtsch. Tigerpanzer und hatten ihren Standort ziemlich genau abgeschätzt. Ihre Granaten richteten in der nächsten Umgebung der Tigerpanzer Schäden leichter Art an. das beweisen noch heute die Löcher im Schornstein der BMAG. Eine russ. Granate wurde vor das Haus Schw. Str. 91 gesetzt und zertrümmerte sämtliche Fensterscheiben*.- Trotz des verhältnismäßig leichten Kampfes sind auf der Wildauer Feldmark insgesamt 35 Russen gefallen und zunächst auch dort in die Erde gebettet. Doch wurden sie befehlsgemäß von hiesigen als NSDA Mitglieder bekannten Wildauern aus der Erde gehoben und in 35 roten Särgen unter Begelitung eines großen russ. Seite 15
Militär-Trauergefolges am Sonntag, dem 1 Juli 1945 im Erdboden unter dem auf Kosten der Wildauer Gemeinde inzwischen auf dem Platz vor dem Rathaus erbauten russ. Ehrenmahl ornungsmäßig beigesetzt.




Eine weitere unangenehme Angelegenheit für das unterlegene Volk entsteht durch die Unterbringung der Besatzungstruppen in den einzelnen Orten. Dafür werden meist die besten Häuser und Wohnungen in Anspruch genommen. Die Räumung der belegten Quartiere muß meist übereilt geschehen, oft muß aller Hausrat in den von den Ausgewiesenden Wohnungen verbleiben und ist meist für immer verloren, weil er beim Auszug der Besatzung von dieser mitgenommen wird. Die Gartenerträge gehen auch verloren, und wer sie sich herzugeben weigert, ist verloren. Ein solcher Fall hat sich in Wildau am 31. Mai 1945 auch ereignet, zwar nicht mit der russ. Besatzung, wohl aber mit einem Polentransport, der aus Männern und Frauen bestehend mit der Eisenbahn hier durchgeleitet wurde. Der Zug mußte vor Einfahrt in den Bahnhof Wildau vor dem Chauseehause an der Eichstraße halten. Da wurde es den Polenfrauen, die aus dem Gemüsegarten des 
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im Chauseehaus wohnenden Kreisbeamten Otto Meinke Zwiebeln holen wollten, vom Gartenbesitzer verweigert. Dafür wurde Meinke von den Polenmännern erschlagen. Soweit die Hinweise für die Nachwelt.
Der Zusammenbruch des dtsch. Faschismus war so total, daß sich im dtsch. Volk von selbst keine neue Regierung bildete. Kurzerhand übernahmen alle vier Besatzungsmächte die Regierung. Deutschland wurde in vier Zonen und die einstige Reichshauptstadt Berlin in vier Sektoren aufgeteilt. Jede Zone, bzw. jeder Berliner Sektor erhielt einen General der Besatzungsmächte als Hauptgewaltigen.
Es hatten das Oberkommando 
1.)    in der amerik. Zone General Clay
2.)    in der franz. Zone General König
3.)    in der engl. Zone General Robertson
4.)    in der russ. Zone General Shukow

Unser Osten und unser Ort war der russ. Besatzungsmacht unterstellt.

In recht kurzer Zeit hatten es die Russen fertiggebracht in jedem von ihnen besetzten Ort eine Ortskdtr. mit einem russ. Ortskommandanten einzurichten.
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In Wildau war diese Ortskdtr. im Hause Blankstr. 68 untergebracht. Ebenso schnell brachten es die Ortskdt dahin, daß sie unter den dtsch. Ortsbewohnern ihnen politisch gesinnungsmäßig genehme Kräfte ausfindig machten, die bereit waren, als sogenannte Räte der Gemeinde die Verwaltungsgeschäfte des Ortes in Zusammenarbeit mit der Kdtr. zu erledigen. So entwickelte sich aus den Kreisen des Kommunismus, sowie der SPD, der L.D.P., der CSU u. CDU eine Blockpolitik, die zur Ausrottung der NSDAP und zurUmformung der dtsch. Bevölkerung zum Humanismus auf demokratischer Grundlage mit der russ. Kdtr. in Gemeinschaft im Ort waltete. Der Verbindungsmann zwischen unserm Gemeinderat u. der russ. Kdtr. war zuerst der zum Bürgermeister bestimmte Herr Röhle. 
Der Gemeinderat richtete im Rathaus für die einzelnen Verwaltungsbelange Dezernate ein, von denen für die Schule das Kulturdezernat das Hauptinteresse hat. Es war zuerst voon dem Gewerbelehrer Meyer, nach ihm Frau Possekel und nach ihr von Dr. Frobemius besetzt.
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Unsere Schule ruhte nur die kurze Zeit vom 21.4.1945 bis 2.5.1945. Am letztgenannten Tage war auf besonderen Wunsch des im Ort maßgeblichen russ. General-Ing. Tamassow die Wiederaufnahme des Schulbetriebes vorgesehen. Und dieser Wunsch wurde Tatsache.  

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