Zwangsarbeit: Vernehmungsprotokoll des H. - Obermeister bei Schwartzkopff in Wildau (1948)


Landeskriminalpolizei Brandenburg
Krim. Amt Potsdam
Krim. Aussenstelle Kgs.Wusterhausen.                                   Kgs.W. 17. 3. 48
Meyer /Wu
K 5 201

Herbert H.

H. Herbert, ...

Maschinenschlosser

300,- RM mtl.

**.**.18**, Berlin **

*****, Krs. Teltow

****str. **

Um das Jahr 1900 zogen meine Eltern von Berlin nach Wildau, von 1905 -13 besuchte ich die Volksschulen in Wildau, Zeesen und Großbesten. 1913 ging ich als Lehrling bei der Firma Maffey,(Maschinenschlosser).
1916 machte ich die Notgesellenprüfung, und wurde im November 1916 Soldat. Ich war 6 Wochen in Villingen/Schwarzwald zur Inf. Ausbildung u. kam danach nach Darmstadt. Hier wurde ich als Flugzeugmonteur ausgebildet. Ich kam nach Frankreich zum Bodenpersonal auf einem Flugplatz zum Einsatz.
Im Januar 1919 wurde ich vom Militär entlassen. Vom November 1918 bis Januar 1919 war ich in Altenburg /Thüringen bei der Ersatz-Fliegerabteilung. Nach meiner Entlassung ging ich nach Miersdorf zu meinen Eltern.

Am 9.Mai 1919 fing ich bei Schwartzkopff, Wildau, als Schlosser an zu arbeiten. Von 1919 bis 1935 war ich in allen europäischen Ländern auf Montage, außer Rußland und England. 1935 wurde ich in der Lokmontage Meister. 
In Ermangelung eines geeigneten Nachwuchses wurde ich 1940 Obermeister in derselben Abteilung. Mir waren 11 Meister und ca. 450 Mann unterstellt. 
Im April 1945, 3 Tage nach dem Russeneinmarsch, stellte ich mich dem Werk wieder zur Verfügung. Durch den Betriebsrat Fischer, Wildau, wurden 54 Personen aus dem Werk entfernt, darunter fiel auch ich. 
Ich bekam eine Aufforderung, bei der Gemeinde Wildau zu arbeiten. Von hier aus wurde ich bei der Firma Kuhn, Wildau, zur Arbeit verpflichtet.
 Am 12.7.47 wurde ich von der NKDW nach Kottbus gebracht, dort wurde ich 3 Wochen ins Verhör genommen wegen unkorrekten Verhalten den Ausländern gegenüber. Ab 20.6.45 bin ich bei der Firma Heinrich Koser, Zeuthen, Schillerstr.60, als Autoschlosser, und ab 1.5.1946 als Werkmeister beschäftigt.

Mit deutschen Arbeitern hatte ich so gut wie keine Differenzen. Nur eine Differenz hatte ich mit dem Kupferschmied S. Diesem traf ich bei meinen Pflichtrundgang abends 6.30 Uhr, in der Kupferschmiede allein. Ich habe ihn nach Hause geschickt, da er allein in dieser Werkstatt nicht arbeiten durfte. Der Meister C. bestätigte mir am anderen Tag, dass S. nicht bestellt war. S. war für Überstunden-Arbeiten bekannt. C. nahm den S. oft für Sonntags- und Überstunden-Arbeit, weil er dafür willig war. S. hatte durch Hilfe der Ausländer soviel Geld im Kasten, dass er es in Überstunden abbummeln musste.

 Da ich nicht in der NSDAP oder einer Gliederung war, mußte ich im Werk sehr vorsichtig sein. Dadurch kam es vor, dass ich bei den Ausländern des öftern hinging und sie aufforderte, an die Arbeit zu gehen. Sprachlich konnte ich mir schlecht mit ihnen verständigen, darum kann es vorgekommen sein, dass ich sie am Arm oder irgendwie anders berührt habe, um sie an ihren Platz zu verweisen.

Frage: Haben Sie 1941 einen älteren russ. Kriegsgefangenen, der sich auf den Schraubstock stützte, geschlagen?

Antwort: Ich kann mit Bestimmtheit versichern, dass ich das nicht getan habe, ich halte diese Aussage für einen persönliche Gehässigkeit.

Frage: Haben Sie einen polnischen Arbeiter in ihrem Büro geschlagen?

Antwort: Es ist möglich, dass es eine Verwechslung zwischen mir u. C. ist. Ich habe deswegen den C. schon wiederholt verwarnt.

Frage: Haben Sie Kolonnenführer gedroht, die U.K.-Stellung zu kündigen, weil sie sich bei den Ausländern nicht durchsetzen konnten?

Antwort: Auf den U.K.-Stellungen hatte ich keinen Einfluß. Und wer U.K.gestellt war, wußte ich nicht. Ich selbst habe von meiner U.K.-Stellung , als ich zum Volkssturm eingeteilt wurde

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erst erfahren. Es ist möglich, dass ich zu den Kolonnenführern gesagt habe, sie müssen die Arbeit auf Grund ihrer Personenzahl einschl. Ausländer schaffen, da die Kalkulation die Normen festgesetzt hat.

Frage: Wenn ein Meister oder Kolonnenführer zusätzlich für gute Arbeit der Gefangenen Lebensmittel angefordert hat, wie wurde das gehandhabt?

Antwort: Es wurde durch Lohnlisten festgestellt, wer am meisten verdient hat. Das wurde durch das Lohnbüro u. der Lagerleitung bestimmt. Bei Kleidungsstücken, die für Ausländer ausgegeben wurden, mußte der Meister einen schriftlichen Antrag an den Betriebsingenieur oder Abteilungsleiter stellen. Es wurde dann höchstens eine persönliche Rücksprache mit mir darüber geführt. Diese Verteilung ließ sich der Betriebsingenieur Sachs nicht aus den Händen nehmen.

Frage: Wissen Sie, wo das besonders angeforderte Essen für die drei russ. Kriegsgefangenen geblieben ist?

Antwort: Ich weise auf meine Antwort in der vorherigen Frage hin, dass das Lohnbüro u. die Lagerleitung darüber entschieden hat. Mir ist davon nichts bekannt.

Frage: Haben Sie gewußt, dass die russ. Kriegsgefangenen Holzschnitzereien gemacht haben u. Wo?

Antwort: Ja. Hauptsächlich Arbeiter, die als Hilfskraft beschäftigt waren, z.b. Kranführer und Lagerarbeiter.

Frage: Wie haben Sie die Gefangenen deswegen behandelt?

Antwort: Ich habe darüber hinweggesehen. Meister C. hat den Leuten die Schnitzereien weggenommen und zerbrochen. Es ist möglich, dass ich in der ersten Zeit einen Gefangenen vom Krahn herunterrief, um zu sehen, was er dort anfertigte, um eine evtl. Sabotage zu verhindern. Ich habe mir diese Schnitzereien angesehen und ihn dann wieder nach oben geschickt. Ich selbst habe mir für meine Tochter einen solchen Vogel von einem Gefangenen aushändigen lassen.

Frage: Haben Sie Ukrainer und Ausländer selbst von der Toilette geholt?

Antwort: Ja. Es war mir von meinem Vorgesetzten anbefohlen u. ich konnte es nicht ablehnen, da er es selber auch tat. Es ist mir ein Fall bekannt; die Toilette war in 2 Teile getrennt, die eine Hälfte für Deutsche, und die andere für Ausländer. Es waren viele Ausländer auf der Toilette. Sie hatten schon die Trennwand angedrückt, da kam ein Deutscher u. sagte zu mir, die Ausländer werfen die Trennwand um. Ich ging darauf auf die Toilette u. machte dort Krach. Und schob die Herumstehenden aus der Toilette heraus. Den letzten habe ich mit sanften Druck herausgeschoben u. dieser schob die vorhergehenden. Ich gebe zu, des Öfteren auf der Toilette Kontrolle gemacht zu haben.

Frage: Haben Sie jemand eingestellt zur Beobachtung der Russen und Ausländer?

Antwort: Nein. Es ist mir aber bekannt, dass im ganzen Werk vom Werkschutz Beobachter herumliefen. Ich hatte nur einen Invaliden, der sprach russisch und lief am Stock. Dieser hatte bei Ausfege- und kleinen Transportarbeiten die Russen zu beaufsichtigen. Er war aber nicht bis 1945 bei Schwartzkopf beschäftigt. Auch ist mir seine Name nicht mehr bekannt.

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Frage: Sind Sie wegen Misshandlung von Kriegsgefangenen verwarnt worden? Und wann?

Antwort: Ja. 1943 oder 1944. Ich habe die Werkstatt von Einzelfertigung auf Fließband umzustellen gehabt. Diese Arbeit sollte an einem Sonntag durchgeführt werden. dazu benötigte ich, ausser den Deutschen, 35 Kriegsgefangene. Am Sonntagmorgen meldete sich der deutsche Posten mit einem russ. Gefangenen (Dolmetscher) und 35 Mann. Dem Dolmetscher wies ich an, bei dem Meister zwecks Einstellung zu melden. Nach ungefähr 1 Stunde ging ich in die Werkstatt, um die Arbeit zu kontrollieren. Es war keiner von den russ. Gefangenen an ihrem Arbeitsplatz. Ich stellte darauf den Dolmetscher zur Rede, und fragte , wo die Gefangenen sind. Ich sagte ihm noch, wir wollen mittags fertig sein, um nach Hause zu gehen. Darauf brüllte der russ. Dolmetscher mich herausfordernd an in Gegenwart des deutschen Postens mit den Worten: „Sie haben mir nichts zu sagen, kümmern Sie sich doch um die Russen, denn ich bin Soldat Adolf Hitlers, und werbe unter meinen Kameraden für die Wlassoarmee“ Ich habe in meiner Erregung über den Vorfall mit der verkehrten Hand dem Dolmetscher auf den Mund geschlagen. Der deutsche Posten sagte, er muß pflichtgemäß seiner Kompanie das melden, denn ich hätte den Werber, der Wlassoarmee (Weißgardisten) geschlagen. Am nächsten Tage kamen 3 Mann von der Wehrmacht in Jüterbog, ich wurde vernommen. Es wurde mir Strafe angedroht. Da durch mein Verhalten das Ansehen der Wehrmacht mehr geschädigt wurde, als das Verhalten der 35 russ. Kriegsgefangenen bei der Arbeit. dadurch würde der Dolmetscher nicht mehr als Werber für die Wlassoarmee im Lager auftreten. Dass ich 2mal verwarnt wurde, entspricht nicht den Tatsachen. Eine Bestrafung erfolgte nicht.

Frage: Meister C. hatte einen Russen geschlagen, weil er mit einem Brot unter dem Arm in die Werkstatt kam, Sie waren Zeuge, warum haben Sie nichts dagegen unternommen?

Antwort: Es ist mir ein ähnlicher Fall mit Kartoffeln bekannt, wo C. den Russen den Beutel mit den Kartoffeln um die Ohren schlug. Ich frug den Mann, wo er die Kartoffeln her habe, er gab zur Antwort, er habe sie von der Lore, die auf dem Hof stände. C. kam mit dem Mann ins Büro u. rief zur Lagerwache an, dass der Mann zur Bestrafung abgeholt werde. Ich konnte gegen C. nichts unternehmen, weil ich kein Pg. war. Mir war bekannt, dass C. mit der Gestapo , Vertreter S., in enger Verbindung stand, und dass C. des öfteren Leute hat abholen lassen. C. konnte mir auch außerhalb des Werkes Schwierigkeiten bereiten. Freundschaftlich habe ich mit C. nicht verkehrt.

Weitere Angaben zur Sache kann ich nicht machen u. erkläre hiermit, die volle Wahrheit gesagt zuhaben.

Geschlossen: Meyer (Meyer) Pol.-Ob.Wachtmeister

Protokollführerin:

Unleserlich

v.g.u.

Herbert H.

Quelle: BLHA, 161 NS-Archiv ZD 7987 A.05, Teilabschrift, anonymisiert 

Anmerkungen: 

Maffey = Maffei-Schwartzkopf-Werke, Unternehmen mit Werk in Wildau 1907-1931, wurde ab 1934 von der AEG übernommen

Schwartzkopff = Wildauer Werk der Berliner Maschinenbau AG, vormals L. Schwartzkopff (BMAG), Hersteller von Lokomotiven, in Wildau ab 1900 bis 1945 aktiv

Russeneinmarsch = am 25.04.1945 wurde Wildau von der Roten Armee besetzt und die Zwangsarbeiter befreit

NKDW = gemeint ist die sowjetische Besatzungsmacht/ Geheimdienst

U.K.-Stellung = Unabkömmlichstellung UK, die Zurückstellung vom Dienst in der Wehrmacht, dies sicherte vielfach das Überleben und war sehr begehrt

Wlassoarmee = Wlassow-Armee, 1944 von der Wehrmacht aufgestellter Militärverband der aus ehemaligen sowjetischen Kriegsgefangenen rekrutiert wurde

Herbert H. wurde für schuldig befunden und eine Anklage an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet, ein Urteil ist nicht bekannt




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