Abschrift aus der Schulchronik Wildau II. Buch

Abschrift aus der überlieferten Wildauer Schulchronik Seite 3-11 , Chronist Lehrer Teschner: 

 Eingang des Rektorats im zweiten Weltkriege und Stellvertretung des Rektors.

(Zeiraum September 1939 - Ende April 1945)

Nach Abschluß des 1. Buches der Schulchronik am 31.3.1938 war Rektor Weixelbaum* fast noch 1 1/2 Jahr hier. Er ging -eingefordert am Anfang Sep. 1939 zum Heeresdienst in den zweiten Weltkrieg, ohne ein 2. Buch der Chronik angelegt und über die oben genannte Zeit Notizen gemacht zu haben. In seiner damaligen Lage war sein Kopf wohl mit anderen Gedanken erfüllt. Es wäre auch Besonderes nicht zu notieren gewesen, da das Schulleben seinen normalen Lauf gegangen war. Im übrigen blieb der Lehrkörper der Schule vollzählig, weil der männliche Lehrerteil teils so gealtert war, daß er für den Kriegsdienst ausfiel, teils aber auch körperlich dafür unfähig war. Zu erwähnen wäre an dieser Stelle gleich noch, daß ganz zu guterletzt, als der Krieg zu unseren Ungunsten schon entschieden war, die Lehrer Kulawsky* und Krepke* doch noch aus dem Schuldienst genommen wurden. Sie sollten in ihrer Eigenschaft als NSDAP-Amtsträger 




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die aus dem Osten und Westen dauernd vor dem Feinde weichenden deutschen Soldaten durch ihr unerschrockenes Beispiel und durch anfeuernde patriotische Unterweisungen zu neuen Standhalten an der Front aufpeitschen. 
Von diesen 3 zum Kriege eingezogenen Lehrern ist zwar keiner gefallen, aber auch keiner wieder in den hiesigen Schuldienst zurückgekehrt. Sie wären an der neuzeitlichen Nachkriegsschule politisch nicht tragbar gewesen. 

Bei der Vollzähligkeit des Lehrkörpers konnte während des ganzen 2.Weltkrieges der Unterricht fortgesetzt werden. Das ist auch geschehen noch als von der Oder her der Kanonendonner herüberschallte bis zum 21. April 1945, also bis 4 Tage vor dem Einmarsch der Roten Armee in Wildau, der sich am Mittwoch, 25 April in den Vormittagsstunden vollzog. 
Als Stellvertreter des Rektors Weixelbaum war der am Schulort dienstälteste Lehrer Meißner* von September 1939 bis Ende April 1945 tätig. Die Zeitverhältnisse sorgten dafür, daß trotz dauernder Aufrechterhaltung des Unterrichts die Leistungen der Schule je länger der Krieg dauerte immer mehr sanken. Als Gründe hierfür dürften anzusehen sein: 
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  1. In so manchen Familienkreis fehlte die so nötige Hand des Vaters.
  2. An anderer Stelle herrschte Trauer oder Gram um einen Gefallenen oder um einen erst neu zum Heeresdienst Einberufenen.
  3. Die Ernährung wurde immer dürftiger
  4. In der siegreichen Anfangszeit feierten wir vor Stolz und Freude viel und verloren dadurch kostbare Unterrichtszeit
  5. Die sich mehr und mehr steigernde Fliegertätigkeit riß die Kinder aus dem Nachtschlaf und verängstigte sie, machte sie auch nervös.
Zu diesem letzten Punkt ist zu sagen
       6. Es kam zur Erteilung von viel Kurzunterricht. Waren z.B. die Kinder durch Alarm im Nachtschlaf gestört, so fing nach solcher Alarmnacht der Unterricht tags darauf erst um 10 Uhr an, 2 Stunden waren also verloren.

Oft genug mußte der Unterricht abgebrochen werden, wenn bei gefüllten Schulklassen am Tage Alarm eintrat. Dann war es für Kinder, Eltern wie Lehrer eine wahre Angst, ob die Kinder auch noch aus der 
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Schule ins Elternhaus kamen bevor die Flieger heran waren. In Schulnähe waren nämlich keine genügend großen einigermaßen sicheren Flieger-Unterstände.

        7. Es kamen wegen der Fliegergefahr dauernd zu Umvakuierungen (gemeint sind Evakuierungen). Kinder aus dem noch mehr gefährdeten Westdeutschland suchten in Wildau Unterkunft. Überängstliche Wildauer entwichen zu Verwanden nach unseren östlichen Gebieten. Es war ein ewiges Hin- und Herziehen, das die Kinder um die Stetigkeit des Unterrichts brachte und den Lehrern dauernde Störungen in der Listenführung verursachte.

        8. Die Häufigkeit der Fliegerangriffe nahm immer mehr zu. Waren während des ganzen Jahres 1944 insgesamt 112 Alarme in Wildau gezählt, so sind es 1945 in der Zeit vom 1. Jan. bis 21. April schon 116 Alarme gewesen. Kein Wunder, daß die Leistungen der Schule sanken. 

        Abschließend soll für die Schule und Ortsgeschichte mit Bezug auf die Fliegertätigkeit in der Schulchronik folgendes festgelegt werden: Als Fabrikort ist Wildau eigentlich verhältnismäßig glimpflich durch den Krieg gekommen. Es sind wohl ab und zu in dem oder 
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jenem Ortsteil Bombeneinschläge mit leichten Gebäude- und Brandschäden vorgekommen doch Menschenleben nicht zu beklagen gewesen, bis doch am 8.März 1944 Wildaus schwarzer Tag kam. Da hatten wir Alarm für den Ort von 1/4 14 - 5 Minuten vor 16 Uhr. (13.15-15.55 Uhr)  Es war der 22. Alarm im Jahre 1944. Um 14.35 Uhr fielen die verhängnisvollen Bomben in den Ort wie die erschreckte und stehengebliebene elektrische Bahnhofsuhr anzeigte. Es wurde die mechanische Werkstatt und Lackiererei der BMAG in Brand gesetzt, die große Montagehalle abgedeckt, das elektrische Licht in ganz Wildau ausgelöscht, die Häuser Schwartzkopffstr. 12 u. 17 zerstört, in der Bäckerei Lehmann Schwartzk.Str. 120 cr. 30 zentner Mehl zum Schwelen gebracht ein paar Stallgebäude zwischen Schwartzk. Str. 119 u. 120 niedergebrannt, beide Eisenbahngeleise in der Nähe des Übergangs zur Bergstraße aufgerissen, zahllose Trichter auf den Dahmewiesen erzeugt, mehrere Grasnarbenbrände am Autodamm verursacht, Köhlers Wohnküche Haselhoffstr.54 zerstört, ein Pole (Josef Blonstai geb.: 18.02.22)  auf Albert Lehmanns Dahmewiesen beim Ochsengespann getötet, 
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während die beiden Ochsen mit Gespann unbeschädigt allein auf dem Gehöft in Hoherlehme eintrudelten, weiterhin der Wildauer Ziegener an Oberländers Drahtzaun, Haselhofstr. 58, getötet, mehrere Baracken, ein Stall des Kaufmanns Weiß und Mertens Strohscheune im Ortsteil Hoherlehme eingeäschert, in der Kantstr. Reichs Haus zertrümmert und darin drei Personen getötet, Soltmanns und Albert Lehmanns und einige andere Häuser in Hoherlehme stark beschädigt, Strohmieten bei Albert Lehmann und auf dem Gut bei Pahlow angesteckt und am Rande Wildaus vor Rudi Neumanns Hausin Königs Wusterhausen, ein Trichter geschaffen, in Niederlehme aber bei der Fähre im Hause des Gastwirts Schulze die Familie und eine an einen Tschechen verehelichte Wildauerin, geborene Walter, getötet. 
Es war ein Glück, daß so viele Bomben in den schwarzen Grund der Dahmewiesen fielen. Wäre dieser Segen auch in den bebauten Wildauer Ort geschlagen, so wäre wohl nicht viel von Wildau übrig geblieben. Wie nacher am Himmel Kondenzstreifen anzeigten, haben bei diesem Angriff über Wildau 9
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Flieger-Luftkämpfe stattgefunden, bei denen unsere Fliegr gesorgt haben, daß die Treffsicherheit der Feinde beeinträchtigt wurde. Auf diese Weise sind wir auch bei diesem schwersten Angriff noch glimpflich davongekommen. Der Wehrmachtsbericht dieses Tages veröffentlichte , daß insgesamt 112 feindl. Flugzeuge an diesem Tage abgeschossen worden waren. Zu uns her kamen die Feindflieger aus Richtung Erkner. Dieser Ort ist damals zu 9/10 (90 Prozent) zerstört worden. Eine dicke, schwarze Rauchfahne, die wohl von der dort brennenden Teerfabrik herrührte, zeigte uns das an. 
Es dürfte aber wohl für jedermann leicht einzusehen sein, daß in einer von solchen Schrecken erfüllten Zeit die Kinder geistig schwer in die Höhe zu bringen waren und darum die Leistungen trotz ununterbrochener Schularbeit immer mehr sanken. 
        9. Ein letzter Grund für den Rückgang der Schulleistung dürfte in der Verzettelung der Kräfte der Lehrer infolge des Zustroms der Flüchtlinge aus den Ostgebieten zu suchen sein. Diese Flüchtenden 
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kamen aus Polen, Ost- und Westpreußen, dem Warthegau, aus Pommern und Schlesien, als sich die Rote Armee der deutschen Ostgrenze immer mehr näherte. Die dadurch zukommenden Kinder waren zu unterschiedlich im Alter, Leistungen und Buchmaterial, hatten in zahlreichen Fällen nach kurzen Schulbesuch in ihrer Heimat über Jahresfrist hinaus dann überhaupt keine Schule mehr gehabt und das wenig Gelernte wieder vergessen und waren durch bittere Erlebnisse auf der Flucht stark verängstigt. Es gab nun viel Schreiberei von Listen bei den Aufnahmeformalitäten. Viel Zeit nahm die Feststellung des geistigen und Wissensstandes dieser Kinder in Anspruch, die der generellen Schularbeit an allen anderen Kindern der Schule verlorenging. Um diese Flüchtlinge ihrem Alter entsprechend in die richtige Klasse zu erheben, wurden Förderklassen eingerichtet. Nicht bei allen fielen der Lehrer Anstrengungen auf fruchtbaren Boden. Beschaffen von Nahrungsmitteln auch während der Schulstunden, stand bei den meisten dieser Flüchtlingsfamilien höher im Kurs als Erwerb von ...
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Und so war auch in diesem Flüchtlingsschülerstand ein bedauerlicher Tiefstand nicht zu verkennen.
Unter diesen Umständen war nur zu wünschen, daß diesem Zustand baldmöglichst ein Ende bereitet würde. Das geschah durch den schnellen Vormarsch der Roten Armee. Noch unter dem Donner ihrer Geschütze hielten wir am 21. April 1945 den letzten Unterrichtstag, und am Mittwoch, 25. April 1945 hielt in den Vormittagsstunden die Rote Armee in Wildau ihren Einmarsch.

*Lehrer Richard Kulawsky 

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